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31.03.2022 |

Deutscher Fleischkonsum sinkt auf niedrigsten Stand seit 30 Jahren

Feisch
Der Fleischkonsum sinkt (Foto: CC0)

In Deutschland wurde im letzten Jahr so wenig Fleisch gegessen wie seit über 30 Jahren nicht mehr: Pro Kopf vertilgte jeder Deutsche im Durchschnitt „nur“ noch 55 Kilogramm Fleisch. Das zeigen die vorläufigen Berechnungen des Bundesinformationszentrums Landwirtschaft (BZL) für das Jahr 2021. Demnach sank der Fleischverzehr um 2,1 Kilo im Vergleich zum Vorjahr und erreichte damit einen historischen Tiefstand seit Einführung des Datensatzes 1989 mit der Wiedervereinigung. „Mögliche Gründe für einen sinkenden Fleischverzehr könnten die Tendenzen zu einer pflanzenbasierten Ernährung sein. Auch der weiterhin pandemiebedingte geringere Außer-Haus-Verzehr in Gastronomie, in Kantinen oder auf Veranstaltungen könnten diese Entwicklung beeinflusst haben“, mutmaßt das BZL in seiner Pressemitteilung vom 30. März.

In der Bundesrepublik wurde 2021 Fleisch mit einem Schlachtgewicht von insgesamt knapp 8,3 Millionen Tonnen erzeugt. Im Vergleich zu 2020, als sich die Nettoerzeugung noch auf 8,5 Millionen Tonnen belief, ist dies ein Rückgang um 2,4%. Deutschland exportiert deutlich mehr Fleisch als importiert wird: 2021 standen Einfuhren in Höhe von 2,46 Millionen Fleisch- und Fleischwaren Exporten von knapp 4 Millionen Tonnen gegenüber. Der Exportüberschuss betrug damit 1,5 Millionen Tonnen. Die veröffentlichte Excel-Datei enthält Zahlen seit 1991. Während die Einfuhren seither relativ moderat um 35% stiegen und sich mit Beginn der 2000er-Jahre recht stabil zwischen 2,2 und 2,5 Millionen Tonnen einpendelten, verdreifachten sich die deutschen Fleischexporte in den letzten 30 Jahren von 1,32 auf 3,97 Millionen Tonnen. Spitzenreiter ist hier Schweinefleisch: Während Deutschland 1991 noch dreimal so viel Schwein einführte (822.000 Tonnen) wie ausführte (254.400 Tonnen), kletterte die Exportmenge kontinuierlich und erreichte 2016 einen Höchststand von 2,5 Millionen Tonnen: ein sattes Plus von 855%.

2021 standen in Deutschland letztendlich 6,79 Millionen Tonnen Fleisch für den Verbrauch zur Verfügung. Das waren 81,7 Kilo pro Kopf. In diesen Werten sind neben dem Nahrungsverbrauch auch die Anteile für Futter sowie industrielle Verwertung und Verluste (inklusive Knochen) enthalten. 2020 hatte der Verbrauch noch bei 84,1 Kilo pro Kopf gelegen. Der menschliche Verzehr, also das Schlachtgewicht ohne Verluste und industrielle Verwertung, lag 2021 bei 55 Kilogramm – 2,1 Kilo weniger als 2020. Vor 10 Jahren hatte der Verzehr noch bei 62,8 Kilo pro Kopf gelegen. Schweinefleisch ist nach wie vor das beliebteste Fleisch der Deutschen: Rein rechnerisch verzehrte jeder immer noch 31 Kilo im Jahr, gefolgt von Geflügel mit 13,1 Kilo und Rindfleisch mit 9,4 Kilo. In den letzten drei Jahrzehnten zeigte sich jedoch eine deutliche Trendumkehr: Während der Hunger auf Schwein nachließ und seit 1991 um fast 9 Kilo pro Kopf zurückging, stieg der Konsum von Geflügelfleisch von 7,3 auf 13,1 Kilogramm pro Bundesbürger*in an.

Laut den Zahlen für 2021 hat Deutschland bei Fleisch einen Selbstversorgungsgrad (SVG) von 121% und deckt durch die Produktion somit deutlich mehr als den inländischen Verbrauch ab. Seit der Wiedervereinigung stieg dieser Wert an, betrug 2011 bereits 117% und lag 2021 nun um 2,5 Prozentpunkte höher als noch 2020. Beim Schweinefleisch beträgt der Selbstversorgungsgrad sogar 132,4 Prozent. Bei Rind- und Kalbfleisch sind es hingegen 98,2% und bei Geflügelfleisch 96,7%. Gar keinen Appetit haben die Deutschen hingegen auf Innereien: Hier lag der SVG bei 526% und im Vorjahr bei 2051%. Was Katze und Hund nicht fressen, wird exportiert.

Dass Deutschland so viel Fleisch für den Export produzieren kann, liegt neben den hohen Einfuhren an Futtermitteln aus dem Ausland auch daran, was auf deutschen Äckern wächst: Auf 60% der landwirtschaftlichen Nutzfläche werden Futtermittel angebaut. „In der Landwirtschaft erzeugte nachwachsende Rohstoffe wuchsen 2020 auf rund 16% der landwirtschaftlichen Nutzfläche, hauptsächlich auf dem Acker (davon 14% für den Anbau von Energiepflanzen und 2% für den Anbau von Industriepflanzen)“, schreibt die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) in ihrem aktuellsten Bericht. Lediglich 22% der Fläche wird für die Produktion von Nahrungsmitteln verwendet. Auf zwei Dritteln der deutschen Maisanbaufläche wuchs 2020 Silomais für die Fütterung von Milchkühen und Rindern sowie Körnermais, während Silomais für Biogasanlagen rund ein Drittel ausmachte. Von den insgesamt 2,63 Millionen Hektar Fläche, auf denen in Deutschland nach den noch vorläufigen Zahlen für 2021 nachwachsende Rohstoffe wuchsen (ein Fünftel der Ackerfläche), waren 2,33 Millionen Hektar für Energiepflanzen bestimmt. Rund 1,57 Millionen Hektar waren Pflanzen für Biogas, wovon 877.000 Hektar auf Mais (Silage) und 262.000 Hektar auf Getreide (Korn) entfielen. Auf 493.000 Hektar wurde Raps für die Biodiesel- oder Pflanzenölproduktion angebaut und auf 265.000 Hektar wuchsen Pflanzen für Bioethanol. Für die Bioethanolerzeugung wurde Weizen auf 92.500 Hektar, Roggen auf 83.200 Hektar, Körnermais auf 19.700 und Zuckerrüben auf 17.300 Hektar.

Angesichts der sich auf einem historischen Höchststand befindlichen Lebensmittelpreise und einer sich abzeichnenden Hungerkrise, auf die viele Länder zusteuern, äußerte sich die deutsche Entwicklungsministerin Svenja Schulze besorgt. Mit Blick auf die Verwendung von Lebensmitteln für die Fleischerzeugung sagte sie am 29. März in einem Interview mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland: „Wenn ein Produkt knapp ist, muss der Verbrauch gedrosselt werden. Getreide gehört zuallererst auf den Tisch – und zwar ohne den Umweg über den Futtertrog. Damit ein geschlachtetes Schwein eine Kalorie liefert, muss es zu Lebzeiten drei Kalorien pflanzliche Nahrung vertilgen. 60% des weltweit produzierten Maises wird an Tiere verfüttert, in der EU ist es bei Weizen ähnlich.“ Sie betonte, keinem Vorschriften beim Essen machen zu wollen, aber verwies darauf, dass es „der Getreideversorgung in Entwicklungs- und Schwellenländern mittel- und langfristig sehr helfen“ könnte, wenn „wir in den reichen Ländern weniger tierische Produkte essen würden“. Wenn Deutschland die Schweinefleischproduktion um 30% reduzieren würde, wäre eine Ackerfläche von 1 Million Hektar frei, rechnete sie vor. Darauf könne man 5 Millionen Tonnen Getreide anbauen. Das gehe nicht über Nacht, aber längerfristig würde es die Versorgungslage verbessern. Trotz der aktuellen Engpässe bei der Energieversorgung sei auch die Verwendung von Lebensmitteln für die Energieerzeugung problematisch. „Wir brauchen angesichts der drohenden Ernährungskrise Getreide, um Menschen zu versorgen. Wir werden kurzfristig auch Mais brauchen, um Teile des russischen Erdgases mit heimischem Biogas zu ersetzen. Im Tank sind Mais und Getreide in diesen schwierigen Zeiten dagegen am schlechtesten aufgehoben.“ (ab)

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