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18.01.2021 |

10.000 Fußabdrücke geben Anstoß für eine zukunftsfähige Agrarpolitik

Kanzleramt
10000 Fußabdrücke für die Agrarwende (Foto: Nick Jaussi/www.wir-haben-es-satt.de)

Rund 10.000 Menschen demonstrierten am Samstag für eine Agrarwende in Berlin: Mithilfe von auf Papier verewigten Fußabdrücken forderten sie eine Landwirtschaft, in der Tiere artgerecht gehalten, Umwelt und Klima geschützt werden und Bäuer*innen faire Preise für ihre Produkte erhalten. Seit 2011 rufen die aktuell 60 Organisationen im „Wir haben es satt!“-Bündnis zu einer Großdemonstration im Vorfeld der Agrarmesse „Grüne Woche“ auf. Im letzten Jahr gingen etwa 27.000 Menschen in Berlin für eine Agrar- und Ernährungswende auf die Straße, darunter viele konventionell und ökologisch wirtschaftende Bäuer*innen aus dem ganzen Land. Eisige Finger und kalte Zehen blieben den Demonstrant*innen 2021 erspart: Da eine Demo in diesem Jahr coronabedingt nicht möglich war, brachten die Menschen ihre Botschaften per Post von der Couch direkt vors Kanzleramt. Reihe um Reihe spannten sich die Leinen vor dem Amtssitz von Kanzlerin Merkel – bestückt mit mehr als zehntausend kreativen Fuß- und Stiefelabdrücken oder Treckerspuren, die im Wind flattern. Darauf finden sich Botschaften wie „Bleibt uns mit Gift vom Acker“, „Mit großen Schritten in die ökologische Zukunft“, „Artenvielfalt statt Monokultur“, „Agrarwende: Verlust der Bodenfruchtbarkeit stoppen“ oder „Kein Werbung für Billigangebote in Supermärkten“.

„Agrarindustrie abwählen – Agrarwende lostreten!“ lautet die Botschaft des Protests zum Auftakt des Superwahljahres 2021. „Billiges Essen ist eine Sackgasse, die weder die Landwirtschaft noch die Verbraucher*innen weiterbringt“, kritisiert Saskia Richartz, Sprecherin von „Wir haben es satt“. Sie wirft Agrarministerin Julia Klöckner Versagen vor, da sie eine Politik auf Kosten von Höfen, Tieren und der Umwelt betreibe. Die CDU gehöre nach 15 Jahren miserabler Agrarpolitik abgewählt. „Wir fordern: Höfesterben stoppen, Umbau der Tierhaltung fördern, Pestizidausstieg vorantreiben und ein klares Nein zur Gentechnik und zum EU-Mercosur-Abkommen.“ Zentraler Knackpunkt ist die Verteilung der EU-Agrarsubventionen. Die Agrarpolitik müsse sicherstellen, dass artgerechte Tierhaltung und Klimaschutz deutlich gefördert werden und mithilfe der Gelder der Umbau der Landwirtschaft in Europa sozial und umweltgerecht gestaltet werde. „Im Moment wird Geld auf Fläche verteilt, also wer viel Land besitzt, bekommt viel Geld“, erklärt Richartz dem ZDF. „Wir fordern eine Umverteilung hin zu einer zielorientierten Förderung von Umweltschutzmaßnahmen, Klimaschutz und Tierwohl.“ Doch hier gibt es enormen Nachholbedarf: „Auch im vergangenen Jahr gab es keine Richtungsänderung in der Landwirtschaft, weil die GAP-Reform auf europäischer Ebene gescheitert ist“, kritisiert Jörg-Andreas Krüger, Präsident des Naturschutzbund Deutschland (NABU). „Deutschland muss nun bei der nationalen Ausgestaltung der EU-Agrarpolitik mehr Raum für Natur und Artenvielfalt schaffen und dafür sorgen, dass Landwirt*innen angemessen für ökologische Leistungen bezahlt werden.“

Am Samstagvormittag hatte eine Delegation von Bäuerinnen und Bauern aus Berlin und dem Umland vor der CDU-Zentrale ihrem Ärger über die Agrarpolitik der Union der vergangenen Jahre Luft gemacht - stellvertretend für die Treckerfahrer*innen, die sonst aus dem gesamten Bundesgebiet anrollen. „Dumpingpreise, Klimakrise und Artensterben zwingen uns alle zu Veränderungen. Wir Bäuerinnen und Bauern sind bereit, unseren Beitrag zu leisten“, sagte Sandra Finke-Neuendorf, Bäuerin aus Blankenfelde bei Berlin, die im Traktor-Konvoi mitfuhr. „Von Ministerin Klöckner erwarten wir endlich die notwendigen Rahmenbedingungen.“ Gerechte Erzeugerpreise und ein ernsthafter Systemwechsel in der Agrarpolitik seien unabdingbar. Auch Biobauer Jan Wittenberg aus Hildesheim fordert faire Preise ein, denn nur so könnten regionale Höfe fortbestehen und nicht nur Großbetriebe: „Und dazu müssen wir einfach eine bessere Preissituation kriegen und diesen ruinösen globalen Handel zumindest etwas bremsen“, sagte er dem ZDF.

Auch die globalen Auswirkungen der EU-Agrarpolitik und der industriellen Landwirtschaft hatten viele Fußabdrücke und Plakate im Blick. „Landraub stoppen“, „Gerechter Handel statt EU – Mercosur“ oder „Bauernrechte weltweit“ war da zu lesen. „Wir brauchen endlich gerechte, gesunde und nachhaltige Ernährungssysteme – und zwar weltweit“, sagte Lena Bassermann von INKOTA. „Deshalb fordern wir: Giftexporte stoppen. „Wenn ein Pestizidwirkstoff in Europa verboten ist, weil er Menschen oder Umwelt schadet, warum sollte er dann exportiert werden dürfen? Wir brauchen ein Ende von Doppelstandards in der Pestizidvermarktung und ein konsequentes Verbot für den Export.“ Auch auf den überhöhten Verbrauch von Ressourcen in den Industrieländern machte ein Fußabdruck aufmerksam: „Wir verbrauchen mehr Ressourcen, als uns zustehen. – Agrarwende jetzt!“, hieß es auf einem blauen Fußabdruck, der mit einer Wäscheklammer an die Leine vorm Kanzleramt geklemmt war. (ab)

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